TOLERANZENTWICKLUNG BEI ALKOHOL

Alkohol ist in vielen Gesellschaften ein selbstverständlicher Teil von Feiern und geselligem Beisammensein. Dabei fällt jedoch oft nicht auf, dass regelmäßiger Alkoholkonsum zu einem Prozess führt, den man als Gewöhnung oder Toleranzentwicklung bezeichnet. Wenn der Körper sich an immer größere Mengen Alkohol anpasst, kann es passieren, dass eine Person schließlich Blutalkoholwerte von 1,6 Promille oder sogar mehr erreicht, ohne sich unmittelbar stark beeinträchtigt zu fühlen. Das klingt zunächst paradox, weil sich Alkohol ja in erster Linie dämpfend auf Gehirn und Körper auswirkt. Doch unser Organismus reagiert äußerst flexibel, wenn ihm eine Substanz wie Alkohol regelmäßig zugeführt wird.

Wer häufig trinkt, erhöht Schritt für Schritt die „Verträglichkeit“ von Alkohol. Dahinter stehen mehrere biologische Vorgänge. Ein zentraler Faktor ist der steigende Anteil bestimmter Enzyme in der Leber, die Alkohol abbauen. Alkohol gelangt nach dem Trinken schnell in den Blutkreislauf und damit in den ganzen Körper. Die Leber spielt die Hauptrolle, um ihn wieder aus dem Organismus zu entfernen. Wenn eine Person oft und viel trinkt, produziert die Leber im Laufe der Zeit immer mehr dieser Abbau-Enzyme, sodass Alkohol schneller verarbeitet wird. Außerdem verändert der regelmäßige Konsum das Gleichgewicht bestimmter Botenstoffe im Gehirn. Das führt dazu, dass größere Mengen Alkohol notwendig sind, um dieselbe berauschende oder beruhigende Wirkung zu erzielen wie am Anfang, als man noch weniger getrunken hat.

Die Toleranz zeigt sich dann unter anderem daran, dass typische Anzeichen wie Schwindel, Koordinationsprobleme oder ein „Beschwipst sein“ weniger stark ausgeprägt sind, obwohl der Körper womöglich schon eine hohe Promillezahl aufweist. Betroffene können oftmals noch klar sprechen und gerade gehen, wirken auf Außenstehende also relativ nüchtern. Das Gefährliche daran ist, dass die körperliche Beeinträchtigung trotzdem vorhanden ist. Wer zum Beispiel glaubt, trotz 1,6 Promille fahrtüchtig zu sein, setzt sich selbst und andere einem erheblichen Risiko aus. Auch wenn man sich subjektiv nicht stark beeinträchtigt fühlt, verschlechtern sich Reaktionsfähigkeit und Einschätzungsvermögen. Viele Unfälle, gerade im Straßenverkehr, sind auf diese verzerrte Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten zurückzuführen.

Eine langfristig erhöhte Toleranz ist keineswegs ein Zeichen dafür, dass man Alkohol besser verträgt oder weniger Schäden davonträgt. Vielmehr ist sie eine Anpassung, die für den Körper eine große Belastung bedeutet. Das regelmäßige Trinken von größeren Mengen Alkohol steigert das Risiko für Gesundheitsprobleme wie Lebererkrankungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Nervenschäden. Die Leber kann durch den dauerhaften Alkoholkonsum entzündet werden, verfetten oder auf lange Sicht vernarben, was man als Leberzirrhose bezeichnet. Gleichzeitig können Mangelzustände entstehen, zum Beispiel von bestimmten Vitaminen, die der Körper unter anderem für eine normale Funktion des Nervensystems benötigt.

Neben den körperlichen Risiken gibt es auch psychische und soziale Folgen. Es kann zu Verstimmungen, Ängsten oder sogar Depressionen kommen. Auch das soziale Umfeld leidet, weil persönliches Verhalten und Beziehungen sich oft verändern, wenn Alkohol zum ständigen Begleiter wird. Manche Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz oder haben dauerhafte Konflikte mit Familie und Freunden. Außerdem kann es passieren, dass sie ihre finanziellen Ressourcen zu sehr für Alkohol ausgeben, was weitere Probleme mit sich bringt.

Da eine erhöhte Toleranz schleichend entsteht, ist es wichtig, das eigene Trinkverhalten kritisch zu beobachten. Ein typisches Warnsignal ist es, wenn man früher nach ein oder zwei Gläsern bereits eine Wirkung spürte, sich jetzt aber kaum noch etwas ändert und man deutlich mehr trinken muss, um etwas zu merken. Wer sich in solchen Situationen wiederfindet, sollte überlegen, inwieweit das eigene Konsumverhalten noch gesund ist. Selbsttest-Fragen können sein: Trinke ich, um alltäglichen Stress zu bewältigen? Habe ich Probleme einzuschlafen, wenn ich keinen Alkohol hatte? Brauche ich sofort nach der Arbeit ein Glas Bier oder Wein, um abschalten zu können?

Um einer wachsenden Toleranz vorzubeugen oder sie zu verringern, lohnt es sich, bewusste Entscheidungen zu treffen. Maß halten bedeutet nicht automatisch, ganz auf Alkohol verzichten zu müssen, sondern vielmehr, das eigene Konsumverhalten gut zu steuern. Ratsam sind vor allem klare, alkoholfreie Tage in der Woche, damit sich der Körper regenerieren kann. Wer regelmäßig Sport treibt oder sich anderweitig beschäftigt, wird merken, dass damit ebenfalls ein entspannender Effekt einhergehen kann, ohne dass man zu Alkohol greifen muss. Auch ein Trinktagebuch kann helfen, um sich einen Überblick über die konsumierten Mengen und Situationen zu verschaffen. Wer merkt, dass das eigene Trinken häufiger aus Gewohnheit als aus echtem Genuss geschieht, kann versuchen, diese Routinen zu durchbrechen, zum Beispiel indem man kalorienarme oder alkoholfreie Alternativen wählt.

Wenn bereits Anzeichen für starke Toleranzbildung vorliegen und erste gesundheitliche Folgen spürbar werden, ist es ratsam, sich professionelle Hilfe zu suchen. Eine Suchtberatungsstelle, Ärztinnen und Ärzte oder Psychologinnen und Psychologen können dabei unterstützen, das Trinkverhalten zu ändern. Gerade in frühen Phasen fällt eine Reduzierung meist leichter als in Situationen, in denen bereits ernsthafte körperliche Schäden oder Abhängigkeiten vorliegen. Gemeinsam lassen sich Strategien entwickeln, um den Alkoholkonsum zu verringern und wieder mehr Kontrolle zu gewinnen.

Der wichtigste Schritt ist meist die ehrliche Selbstreflexion. Wenn das Trinken zur Gewohnheit geworden ist und man es in bestimmten Situationen gar nicht mehr hinterfragt, entwickelt sich oft ein Automatismus, den man nur durch bewusstes Handeln durchbrechen kann. Auch wenn im Freundeskreis viel getrunken wird, lohnt sich ein offenes Gespräch darüber, wie man die gemeinsame Zeit gestalten kann, ohne ständig Alkohol im Mittelpunkt zu haben. Gesellige Treffen müssen nicht immer in einer Bar enden. Mit etwas Kreativität finden sich viele Alternativen, die Spaß machen, den Zusammenhalt stärken und ganz nebenbei dem Körper weniger schaden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hohe Promillewerte wie 1,6 zwar darauf hindeuten, dass jemand viel Alkohol verträgt, aber dieser Zustand nicht harmlos ist. Der Körper hat sich an die Substanz gewöhnt und reagiert zunächst weniger stark, doch die gesundheitlichen Gefahren bestehen unvermindert weiter. Gerade im Hinblick auf den Straßenverkehr und andere sensible Bereiche sollte man sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Ein bewusster Umgang mit Alkohol, regelmäßige Pausen und das Wissen um die eigenen Grenzen sind entscheidend, um Toleranzbildung und den möglichen Folgen entgegenzuwirken. Es ist nie zu spät, das eigene Konsumverhalten zu überprüfen und bei Bedarf zu ändern, um auf lange Sicht Gesundheit und Wohlbefinden zu schützen.

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